Weit, weit weg

Sie sah zu den Geschwistern. Ihre Blick sagte: Schönen Dank auch, dass ihr mich hier her geschleppt habt. Doch sie nickte dem Mann zu. "Ich nehme die Chance."

"Sei Froh, dass du noch lebst." knurrte Ayashi ungehalten. Ayani nahm Mandys Hand und zog sie mit sich. "Komm." sagte sie freundlich. "Du bleibst erst einmal bei mir."

"Dein Bruder ist nicht gut auf Menschen zu sprechen?", stellte Mandy fest. Sie wurde hin fortgezogen, weg von der Menge.

"Scheint so." antwortete Ayani. "Er ist voller Vorurteile... er war noch ein kleiner Junge, als er von Leuten wie dir angeschossen wurde. Du hast die Narbe auf seiner Wange gesehen." Sie kamen an einer kleinen Hütte an. "Kurulami!" rief Ayani. "Bist du hier?" Eine Frauenstimme, weder alt noch jung, antwortete. "Ja, ich bin hier." "Ich habe Mandy hier... kannst du sie dir bitte einmal ansehen?" fragte Ayani. "Das Mädchen der Fremden? Ja... gerne."

"Ansehen, wofür?" Sie ließ Ayani nicht los. Alles war so fremd und beunruhigte sie.

"Keine Angst... ich bin nur die Heilerin... ich möchte mir deinen Arm ansehen." sagte die Frau und trat aus dem hinteren Teil der Hütte zu ihnen. "Es dauert nicht lange und tut auch nicht weh." Sie inspizierte den Arm, tastete den gesunden Teil ab. "Das Fleisch ist nicht mit dem Metall verwachsen..." sagte sie leise. "Es ist heilbar... wenn man es will." Ayani lächelte dankbar. "Danke. Das wollte ich nur wissen." Sie nahm Mandy mit in ihre kleine Hütte.

"Danke für deine Fürsorge, aber ich habe dir schon mal gesagt, dass ich ganz zufrieden mit mir bin." Sie folgte ihr.

Ayani sah sie seltsam an. "Das war wichtig... für den Fall, dass du hier bleibst." sagte sie leise. Sie stieß die Tür zu ihrer Hütte auf und ließ Mandy eintreten. "Willkommen in meinem Heim."

"Falls...", murmelte Mandy bitter, bevor sie eintrat. "Hübsch, zwar kein Vergleich zu den Designerhäusern aber es hat etwas." Sie sah sich um und erfreute sich an der Schlichtheit.

"Die Wälder haben uns schon immer gegeben, was wir brauchten. Und so wird es auch immer sein." Ayani lächelte leicht. "Ich bin froh, dass es so ist wie es ist."

"Was wird das für eine Prüfung sein?", fragte Mandy. "Und wann werde ich sie bestehen müssen?" Sie hatte sich auf den Boden gesetzt und zog ihr Handy heraus, sie wollte wissen wie lange sie schon weg war. Zwei Stunden. Vater macht sich bestimmt sorgen. Dann erblickte sie die Anzeige für den Empfang. Kein Empfang - typisch.

"Jederzeit kann diese Prüfung sein, und sie kann aus allem bestehen." sagte Ayani. "Du solltest aufpassen, was du sagst. Und lüge nicht. Tu alles, aber lüge nicht."

"Ich habe dir geschworen nicht zu lügen. Ich halte meinen Schwur." Sie steckte ihr Handy verzweifelt ein. Irgendwann konnte sie es sowieso zerstören. In zwei, vier Monaten würde der Akku leer sein.

Ayani nickte. "Ich kann mir denken, worin die Prüfung besteht..." sagte sie leise. "Aber ich darf es nicht verraten... hast du Hunger, oder Durst, oder sonst irgendetwas?"

"Nein." Sie schüttelte den Kopf. "Trotzdem danke." Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Falls ich in eurem Clan aufgenommen werde, werde ich dennoch nicht so coole Sachen machen können, so wie ihr, oder?"

"Was verstehst du unter coolen Sachen?" fragte Ayani. "Wenn du in meinen Clan aufgenommen wirst, wirst du meine Schwester sein."

"Ich meine dieses Verwandeln und diese super süßen Ohren." Sie begutachtete die Katzenohren von Ayani und es juckte ihr in den Fingern sie zu berühren.

Ayani zuckte mit den Schultern. "Es kann sein... es kann aber auch nicht sein..." sie sah Mandy an und lächelte. "Möchtest du sie anfassen?" fragte sie und deutete auf ihre Ohren. "ich sehe es an deinen Augen."

Mandy nickte, hatte sie doch geschworen nicht zu lügen.

"Dann tu es doch^^" sagte Ayani lachend. "Wir sind beide Frauen. Hier kommt kein Mann ohne meine Erlaubnis rein. Es muss dir nicht peinlich sein."

"Ähh.." Ihre Bemerkung hatte sie stutzig gemacht. "Erklärst du mir danach einige grobe Benimmregeln? Ich falle ja jetzt schon wie ein bunter Hund auf." Sie berührte die spitzen der Ohren leicht. Sie waren weich, wie die ihrer Katze, die sie auf der Erden zurücklassen musste, mit ihrem Bruder, der sich geweigert hatte mitzukommen.

"Die wichtigste kennst du bereits, nicht lügen. Und die zweite Regel lautet, dass du den Willen der Ältesten achten und befolgen sollst." Sie sah nach draußen. "Es kommt jemand." sagte sie. "Die Prüfung soll jetzt stattfinden." sagte Ayashi, der vor der Tür stand. "Schon?" fragte Ayani erstaunt.

"Schon?", wiederholte Mandy stand auf. Sie wollte ganz und gar nicht. Wie auch immer diese Prüfung aussehen mag, sie mochte sie jetzt schon nicht.

"Entscheide dich gut." sagte Ayani leise. "Ich fände es traurig, wenn wir uns nie wieder sehen könnten." Ayashi bedeutete Mandy, ihm zu folgen. "Ich soll dich zu deiner Prüfung begleiten... und dich beobachten. Du wirst mich nicht bemerken, aber ich werde immer da sein... und glaube mir, ich werde jeden deiner Schritte berichten."

"Soll mich das beunruhigen oder eher beruhigen?", fragte sie und warf Ayani einen Blick zu. Sie hatte Vertrauen zu dem Mädchen gefasst und wollte bei ihr bleiben. Doch sie folgte Ayashi.