Weit, weit weg

"Offiziell sind wir erwachsen." sagte Ayashi. "Und danke... Mutter wird begeistert sein, wenn sie erfährt, dass wir uns wieder geschlagen haben." sagte er, während er die traurigen Reste seines Hemds betrachtete. "Entschuldige..." sagte Ayani noch einmal. Dann blickte sie kurz auf Mandys Prothese. "Tut das nicht weh? Etwas Fremdes an deinem Arm?" fragte sie.

Mandy hob den Arm. "Nein, man gewöhnt sich dran. Ohne könnte ich nicht schreiben oder anderen Beschäftigungen nachgehen." Sie streckte ihren Arm Ayani entgegen. Sie wollte zeigen, dass sie ihr vertraute.

"Es ist nur... bei uns können selbst solche Wunden geheilt werden." sagte sie und berührte das kühle Metall. "Nur Wunden, die das Leben betreffen, können nicht geheilt werden."

"Dann habt ihr tolle Ärzte.", sagte Mandy und strich mit der Fingerspitze über den künstlichen Arm. "Unsere Ärzte konnten nicht anders handeln." Sie verfiel in trübes Schweigen. Ihre Arm erinnerte sie an den Unfall. Und dieser erinnerte sie wiederum an den Tod ihrer geliebten Mutter.

"Vielleicht." sagte Ayani leise. "Das Metall ist kalt, leblos." sagte sie weiterhin. "Lass mich versuchen, ihn zu heilen... bitte."

"Was?!" Mandy ging ein Stück zurück. "Wie willst du einen nicht vorhandenen Arm wieder zurückbringen?"

"Ich habe gesehen, wie nicht vorhandene Arme nachwuchsen. Es war eine Angelegenheit von mehreren Monaten, aber nun können die Betroffenen den Arm so benutzen, als wäre nie etwas geschehen." sagte ayani. "Ich kann es nicht... aber unsere Heiler können es... vielleicht."

"Hehe..", machte sie etwas skeptisch. "Ich belasse es lieber so." Mandy musterte die beiden zum ersten Mal genau. Die Geschwister hatten wirklich kaum eine äußere Verbundenheit, außer ihre wilden Augen.

Ayashi besah den Arm skeptisch. "Der ist tot..." sagte er. "Lebendige Glieder sind gesünder." Ayani nickte. "Ja. aber wenn du es nicht willst, bitte."

Mandy versteckte den Arm hinter ihrem Rücken. "Mich stört es nicht." Sie sah sich im Wald genau um. Wo war noch einmal der Weg zur Siedlung? Westen oder Norden? Wo war Westen überhaupt?

Ayani lachte. "Wir sind näher an unserem Dorf als an deinem." sie nahm Mandy an der Hand. "Du sollst an unseren Beratungen teilhaben. Schließlich geht es ja um dich."

"Ich will aber nicht wirklich, dass es um mich geht.", meinte sie, ließ sich aber mitschleifen. Verzweifelt warf sie einen Blick zurück.

"Tut mir leid, aber das hast du nicht zu entscheiden." meinte Ayashi. "Wenn du Glück hast, darfst du zurück. Wenn du Pech hast... stirbst du." sagte er.

"Was?!" Sie blieb stehen, mit aufgerissenen Augen. "Ich hänge an meinem Leben!" Sie wich von den beiden.

"Wenn du jetzt wegläufst, stirbst du auf jeden Fall." sagte Ayani. "Genau. Komm lieber mit. Die Chance, zu überleben, ist wesentlich höher." fügte Ayashi hinzu.

"Ihr könnt auch wirklich nicht lügen?" Sie wirkte wie ein verängstigtes Reh.

"Nein." sagten die beiden Geschwister gleichzeitig.

Logischerweise konnte auch das eine Lüge sein. [ Meine geile Logik ;D] Aber Mandy nickte. Ich kann nur hoffen, dass ich Glück habe.

Sie traten durch das Unterholz auf eine Lichtung. Kleine Kinder kamen herbei. Kinder in den Farben dieses Waldes. Grün, blau, gelb... eben quietschbunt. "Ayani und Ayashi sind wieder da!" riefen sie. Männer und Frauen kamen herbei und maßen Mandy mit misstrauischem Blick. Jedoch als sie den metallenen Arm sahen, sah man in allen Augen nur Mitleid. "Wer ist das Mädchen, das ihr da mitgebracht habt?" fragte eine alte, männliche Stimme hinter ihnen plötzlich.

Mandy war es unangenehm von allen so angestarrt zu werden. Am liebsten würde sie fliehen, doch sie konnte schlecht einfach kreischend weglaufen. Als dann auch noch die autoritäre Stimme sprach, zuckte Mandy zusammen.

"Ihr Name ist Mandy." sagte Ayani. "Wir mussten sie mitnehmen... aufgrund meiner Unachtsamkeit hatte sie mich gesehen." Unterwürfig blickte sie zu Boden. "Gut gemacht, ihr beiden..." sagte der alte Mann. "Wir müssen beraten, was mit ihr passiert." Ayashi nickte. "Ja. Aber bitte tötet sie nicht." bat er.

Ja, bitte tötet mich nicht. Doch es überraschte sie, dass Ayashi bat, sie zu verschonen. Wollte er nicht vor wenigen Minuten ihr Verletzung zufügen, weil sie ihn getreten hat?

Der alte Mann schüttelte den Kopf. "Keine Angst... ich konnte Kerawa glücklicherweise beruhigen... aber wir können sie auch nicht zurückgehen lassen..." Ayani nickte. "Ja, aber was können wir tun?" Ängstlich sah sie den Ältesten an. "Sie muss sich beweisen... wenn sie versagt, setzen wir sie im Wald aus, wenn sie es schafft, nehmen wir sie in den Clan auf." sagte der alte. Ein zustimmendes Raunen ging durch die versammelte Gruppe.

"Beweisen?" Zum ersten Mal sprach Mandy. Ich will doch gar nicht im Clan aufgenommen werden. Sie sträubte sich gegen den Gedanken, für immer hier bleiben zu müssen, unter all denen, die sich in Raubtiere verwandeln konnten.

"sagen wir so... wenn du dich weigerst, müssen wir dich töten." sagte der alte Mann. Und er meinte es vollkommen ehrlich. "Auch wenn ich das nicht will... nachdem die Geschwister für dich gesprochen haben. Nimm es als letzte Chance... entweder du nimmst an oder du stirbst."