Gegen die Macht Gottes

Ich hörte nur ein zittriges "Das wird noch ein Nachspiel haben. Und das weißt du..", bevor der Reverend polternd das Gebäude verließ. Als ich mich umdrehte, um nach den beiden Frauen zu sehen, sah ich in 13 erschrockene Gesichter. Das ganze Weisenhaus war wach geworden, einige Kinder weinten, andere schienen erleichtert, dass Dombey weg war. Doch alle hatten etwas gemeinsam: Die Angst, die sich in ihren Augen wiederspiegelte. Sie alle fürchteten sich vor Twesi.
Und als ich auf die kleine Jenna zuging, die, ihren Teddybär ganz dicht an sich gepresst, unmittelbar neben den beiden regungslosen Frauen stand, wich auch sie zurück.
Sie fürchteten sich nicht nur vor Twesi, die hinter mir stand. Sie hatten auch Angst vor mir.

"Das werden wir noch sehen" murmelte ich und ließ mich mit geschlossenen Augen zu Boden sinken. Ich hatte mehr Kraft gebraucht, als ich gedacht hatte, mein Körper begann sich bereits wieder zu normalisieren. Mein Atem ging nur stoßweise. Ich sah auf, öffnete meine Augen wieder, deren Flammen nur noch schwach glühten. Ich bemerkte, wie die anderen Waisen uns ängstlich ansahen, fragte mich warum, was ich auch sogleich aussprach. "Warum habt ihr Angst vor uns?" Meine Stimme war leise und zitterte vor Erschöpfung, aber doch laut genug, dass jeder mich klar und deutlich verstehen konnte.

Ich wich ein kleines Stück von Jenna zurück.
Die Waisen antworteten Twesi nicht. Und alle, bis auf zwei Mädchen, gingen schnell zurück auf ihre Zimmer und schlossen die Türen.
Ich fragte mich, was sie jetzt wohl tun würden. Würden sie ebenfalls abhauen? Jetzt... wo Dombey für wenigstens ein paar Stunden außer Haus war.
Die beiden Mädchen lächelten. Die Schreckensstarre schien sich in ihnen zu lösen und die anfängliche Angst auf ihren Gesichtern wich Erstaunen. "Wie hast du das gemacht?" - "Können wir das auch?" - "Endlich hat mal jemand Dombey Einhalt geboten!", plapperten sie durcheinander.

Ich sah den anderen nach ... Warum fürchteten sie sich? Dann wandte ich mich den beiden Mädchen zu, hörte mir die Fragen an. ich musste lächeln und antwortete: "Ja, es war höchste Zeit, dass jemand den Reverend in die Schranken gewiesen hat. Nun ja ... Ich sage es mal so ... Ich bin kein Mensch, aber auch niemand, den man fürchten müsste, es sei denn, ich könne ihn nicht leiden, so wie Dombey. Ich fürchte nein, es sei denn, ihr wärt keine Menschen ..." Ich scheute mich ihnen zu enthüllen, dass ich eine Nephilim war, halb Mensch, halb Engel ...

Die beiden Mädchen lächelten verschmitzt. "Nein, wir sind keine Menschen.." Die eine fing an zu kichern. "Wir sind groooße Zauberer!"
Ich musste grinsen. Da fielen mir die beiden Frauen auf, die sich zuckend versuchten aufzurichten. Sie sahen ziemlich fertig aus. Bestimmt hatten sie sich etwas gebrochen. Oder noch schlimmer, sie hatten innere Blutungen. Twesis Angriff war nicht gerade sanft gewe4sen.

Ich musste ebenfalls grinsen. "Natürlich" Ich stand langsam, mit zitternden Beinen auf. Ich würdigte die beiden Frauen keines Blickes, als plötzlich zwei vermummt Gestalten eintraten.

Ich legte meinen Kopf schief, trat einen Schritt zurück, nahm die beiden Mädchen beiseite. Die beiden vermummten Gestalten beunruhigten mich. "Twe- Twesi?", fragte ich eingeschüchtert. Vielleicht wusste sie mehr. Oder vielleicht war es auch einfach eine natürliche Reaktion von mir. Ich hatte Twesi immer als die Stärkere von uns beiden angesehen, hatte immer Schutz bei ihr gesucht.

Die beiden traten auf uns zu. Ich lächelte leicht.
"Mylady" sagten sie gleichzeitig und verneigten sich vor mir, wandten sich dann an Emily "Miss Manderly, es ist schön Sie endlich kennen zu lernen" Auch vor ihr verneigten sie sich.
"Wir sind Mr Fox" stellte derjenige der beiden seinen Kollegen vor, der entfernte Ähnlichkeit mit einem Wolf hatte, zumindest was man in dem Ausschnitt seiner Kapuze sehen konnte.
"und Mr Wolf" revanchierte sich der Fuchsartige.

"Eh- *nervöses Lachen*", Ich war sichtlich verwirrt, "Die Freude ist, ehm.. ganz meinerseits." Ich musterte die beiden Gestalten, die sich als Mr. Fox und Mr. Wolf vorgsetellt hatten - wirklich ungewöhnliche Namen. Unauffällig versuchte ich immer wieder, mehr unter den Kapuzen erkennen zu können, aber außer die ungefähren Umrisse der Gesichter, blieb mir ihr Anblick verwehrt.

Ich lächelte. "nun gut, dann sind wir ja so weit"
"wann immer Ihr gehen wollt, Mylady" sagten Mr Fox und Mr Wolf.
"Wo müssen wir zuerst hin? Vater hat euch doch genaue Instruktionen zugewiesen nicht wahr?
"Ja. Wir müssen" sagte Mr Wolf
"nach Blackheath" beendete Mr Fox
"In die Höhle des Löwen"
"Sozusagen"
Ich nickte. "In Ordnung. Bist du soweit Emmy?"

"In die- Höhle des Löwen?" Nun war ich vollkommen verwirrt - und auch verängstigt. Ich meine... 'Die Höhle des Löwen' klingt ja nun nicht gerade ungefährlich.
Zaghaft nickte ich nur und drückte mich näher an Twesi heran, als wir zusammen das Waisenhaus verließen.

"Nun ja .. Wir sind Mushroom Manor noch immer nicht wohlgesonnen, es verdient die Bezeichnung 'Höhle des Löwen' zu recht ... " sagte ich

Ich musste leise lachen. Sie hatte ja so Recht!
"Dann los. Auf in den Kampf!" Nervös folgte ich Twesi, warf immer ab und zu einen Blick zu den beiden Gestalten - Mr. Fox & Mr. Wolf. Warum mussten die uns eigentlich begleiten? Ich fühlte mich irendwie unwohl in ihrer Gegenwart.

Ich nickte und bog zur Underground Station Rotherhite ein. Dann sah ich mich um und wir betraten einen Nebengang, der zu einer Tür führte. Ich gab Mr Fox einen Wink und er reichte mir einen zitronengelben Duftbaum aus Pappe. Ich ging einige Schritte weiter, bis ich vor einem heruntergekommenen Mann stand, der neben der Tür kauerte. "Wir erbitten Einlass" sagte ich laut "Und geben Euch Dies als Wegzoll" ich hielt ihm den Duftbaum hin, den er mit einer Geschwindigkeit an sich riss, die man ihm nie zugetraut hätte, und ihn vor seine Nase hielt.
"Issn gute Duft, dank da Lädy. Sicher'n Schritt und Tritt da Lädys un 'nen Härrn" sagte der mann mit breitem Akzent. Ich öffnete die Tür und wir gingen hinein, standen in einem Tunnel, der von hellen Neonröhren erleuchtet wurden. Die Tür fiel hinter uns ins Schloss.
"Herzlich willkommen in der Stadt unter der Stadt,, der Stadt der Schornsteine, der Uralten Metropole von London, Emily." sagte ich.

"Wow", etwas anderes konnte ich nicht sagen. Im ersten Moment war ich völlig sprachlos. Nie zuvor war ich in einem solchen Tunnel gewesen, geschweige denn in einem unter London. Der komische Mann vor der Tür hatte mir erst etwas Angst gemacht, jetzt aber lachte ich innerlich über die Tatsache, dass er anscheinend mit Duftbäumen zu bestechen war. Duftbäumen!
Noch immer wusste ich nicht, was wir auf Mushroom Manor wollten. Aber Twesi würde schon ihre Gründe haben. Hoffte ich zumindest.

Ich sah zu Mr Fox und Mr Wolf. "Ihr kennt den Weg. Führt uns doch bitte" sagte ich zu den Beiden. Wir gingen durch einige Tunnel, bis wir in eine große Höhle kamen.

Ich folgte schweigend. Als wir einen großen, dunklen Hohlraum betraten, musste ich ehrfrüchtig seufzen. Die Höhle war unglaublich! Sie wirkte, als wäre sie schon Jahrhunderte alt. "Was ist das hier?", fragte ich Twesi leise und presste mich an sich.

"Nur eine Zwischenhöhle. Noch ein Gang und dann sind wir am Ziel" erklärte ich und bewegte mich auf einen Tunnel zu, dessen Wände und die Decke komplett mit schwarzen, lebendig aussehenden Blumen bewachsen war. "Der Eisblumen- Tunnel von Blackheath" murmelte ich. "Emmy, pass auf, dass du die Blumen nicht berührst. Sonst ... " Ich ließ offen, was dann geschehen würde und schlich vorsichtig in den nicht gerade sehr breiten Tunnel.

Ich hörte nur sehr schwach die letzten, warnenden Worte von Twesi, als ich an eine der eben genannten Eisblumen herantrat und meine Hand nach ihr ausstreckte. Sie war so wunderschön. Schwarz und geheimnisvoll, mit einem eisblauen Kern, wie es schien. Einen Moment lang dachte ich, die Blume würde von innen heraus leuchten. Es war so faszinierend! Ich musste sie unbedingt anfassen!

Mit Schrecken bemerkte ich, wie Emily sich einer der Blumen näherte, ihre Hand ausstreckte. "Nein!" schrie ich, stürzte nach vorne und umklammerte Emilys Handgelenk zog es zurück. "Nicht, bitte." keuchte ich und zog sie langsam zurück.

Ich schrie erschrocken auf, als Twesi mich zurückriss. Mein Atem ging schneller. "Was? Wieso?", flüsterte ich atemlos, als ich die Situation erstmal richtig begriff. "Oh." Jetzt wurde es mir klar. "Was ist... denn an dieser Blume so gefährlich?", fragte ich, immer noch um meine Stimme rangend.

"Wenn du eine von ihnen berührst dann entziehen sie dir die Lebenskraft." antwortete ich, sah überlegend auf die Blumen. "Ich könnte ..." dann schüttelte ich den Kopf. "nein, das würde zu sehr auffallen. Alles wieder ok Emily?"

Meine Augen weiteten sich. "Alle Lebenskraft?" Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich, hätte ich diese Blume berührt, vielleicht gestorben wäre.
"Ja, alles okay." Ich sah Twesi prüfend an. "Was könntest du... ?"

Ich nickte. "Ja, alle Lebenskraft. Ich könnte die Blumen verbrennen, aber das würde zu sehr auffallen." antwortete ich. "In den meisten unscheinbaren Dingen steckt viel mehr, als amn erwartet. Können wir weiter?"

Ich dachte kurz über Twesis Äußerung nach. Es stimmte. Man sollte selbst so kleine Blumen nicht auf die leichte Schulter nehmen. Zumindest nicht in dieser Welt. In der Welt, die Twesi mir offenbaren würde, die Welt, die ich bisher für harmlos gehalten hatte.
Ich nickte "Können wir", und folgte Mr. Fox und Mr. Wolf, die schon etwas vorausgegangen waren.