Weit, weit weg

"Aber nicht so ähnliche Gesichtszüge." sagte Ayashi und schlos die Arme um sie.

Ich seufzte bloß leise, unglücklich und vergrub mein Gesicht an Ayashis Hals.

Ayashi strich ihr sanft über die Haare und sagte nichts mehr.

Ich wanderte durchs Haus. Mittlerweile kannte ich mich gut aus. Ich fand eine kleine Hintertür und öffnete sie, neugierig, wohin sie führte.

Seinen Atem zu hören, seine Nähe zu spüren, beruhigte mich etwas. Es wäre alles viel schlimmer, wenn er nicht hier wäre, erkannte ich. Dennoch war es auf eine Art unerträglich, dass er hier war und nicht da draußen im Wald.

Ayashi streichelte sie sanft. Es war traurig, sie nicht mehr schnurren zu hören... aber wenigstens lebten sie noch. Das war die Hauptsache.

Ein helles Licht blendete mich. "Wer ist da?" hörte ich eine fremde, scheinbar körperlose Stimme fragen.

Ich schloss meine Augen. Ich war müde und Ayashi war das perfekte Kopfkissen. Ich kuschelte mich mehr an meinen Freund und achtete bloß noch auf seinen Herzschlag.

Ayashi strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, um sie besser betrachten zu können. Bald zog er die Beine leicht an den Körper und schlief auch ein.

"Sie nennen mich Sabrina... aber... wer bist du?" fragte ich zurück. Das Licht verblasste leicht. Ich konnte eine goldene, nicht näher definierte Gestalt sehen. "Der Meister dieses Waldes." war die Antwort. "Sie haben mich gefesselt und zapfen meine Energie ab."

Spät in der Nacht wachte ich auf. Ayashi schlief noch, während ich aufstand und ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte. Als Mensch war ich nicht im Entferntesten geschmeidig, aber er würde hoffentlich nicht bemerken, wie ich aus dem Zimmer schlich. Ich wollte ihn nicht beunruhigen. Ich wollte nicht, dass er mich abhielt. Meine Schritte waren gezielt, und lenkten mich zu der Küche. Meine Hand streckte sich nach dem Messerblock aus.

Ayashi schlief seelenruhig weiter. Er war nun schließlich auch ein Mensch.

"Komm näher." Ich konnte der Stimme nicht wiederstehen. Ein helles Augenpaar sah mich an. "Ja... ohne Zweifel... ich habe nach dir geschickt..." Die Gestalt winkte mich noch näher zu sich. Als ich direkt vor ihr stand, küsste sie mich auf die Lippen. Grellgoldene Blitze sprangen auf mich über. Ich schrie gellend auf, bevor ich in nachtschwarzer Ohnmacht versank.

Ich hielt ein großes Messer in meiner Hand umklammert. Zugegeben war es ein doofer Plan einfach.. Stop! War da nicht ein Schrei? Ich folgte dem Geräusch. Der Griff um das Messer verstärkte sich, sodass meine Knöchel weiß wurden.

Ich lag da, den Körper seltsam verdreht. Meine Glieder zuckten immer wieder wie von Stromstößen. Und bei jedem Stoß schrie ich wieder auf. Ein jeder Stoß riss mich aus der Ohnmacht und stieß mich in eine nächste. Goldenes Licht umflutete mich.

Ich wurde von einem Licht geblendet. Mit der freien Hand versuchte ich meine Augen zu schützen. Ich ging weiter auf die Schreie zu. Müssten sie eigentlich nicht auch die Anderen wecken?

Man konnte oben Schritte hören. Doch niemand ahnte, woher diese Schreie kamen. Sie dachten, sie hätten das 'Biest' gut weggesperrt.

Langsam verlosch das Licht. Langsam ließen die Schmerzen nach. Langsam konnte ich mich wieder aufrichten. Ich war verwirrt. Goldes Fell wuchs an meinem Körper, meine Sehnen streckten sich. Es war schmerzhaft. Besonders, als meine Erinnerung zurückkehrte. Der Meister hatte sich offenbar mit meinem Körper vereint. Aber was war ich nun? Die Meisterin?

Ich wurde unsicher. Von oben kamen Schritte und ich hörte die Schreie nicht mehr. Mein Blick wurde auf das Messer gezogen, das ich immer noch fest umklammert hielt. Hektisch sah ich mich um. Eine Vase! Ich ließ 'die Waffe' in die Vase gleiten und ging weiter in die Richtung, in der zuvor die Schreie gekommen waren.

Langsam stand ich auf. Der Raum war verspiegelt, sodass ich überall mich selbst sehen konnte. Ich war nackt, wie es den Anschein hatte. Nur über den Intimzonen wuchs üppiges, goldenes Fell, sowie an meinen Händen und Füßen. Ansonsten war mein Körper mit einem dünneren, feineren, seidigen Pelz bedeckt. Ich lächelte mich an. Spitze, scharfe Fangzähne guckten zwischen den Lippen des Gesichtes im Spiegel hervor. Es war das einzige, was noch beinahe menschlich wirkte. Bis auf die Augen, die in einem satten Goldton glühten. Ein langer, dünner Schweif peitschte nervös hin und her und Katzenohren zuckten zurück, als sie ein leichtes, klirrendes Geräusch hörten.

Meine Schritte wurden langsamer, als die Schritte der anderen schneller wurden. Ich wusste überhaupt nicht wo ich war.

Langsam drehte ich mich um und hörte Schritte, die immer näher kamen. Die Tür, durch die ich hineingekommen war, schien der einzige Ausgang zu sein. Er würde leicht zu verteidigen sein.

Eine Tür war die einzige Möglichkeit mich zu verstecken, hoffte ich zumindest. Ich rannte auf die Tür zu, lief blindlings rein, ohne einmal reingeschaut zu haben.

Ich nahm die Gestalt, die hereinkam, entgegen und presste sie an die Wand, die Hände an der Kehle. "Was willst du von mir?" zischte ich leise und bedrohlich, "Dass du mich in meinem Gefängnis aufsuchst."

Mir wurde die Luft geraubt, sodass ich nicht antworten, sondern bloß hilflos mit den Armen fuchteln konnte.

"Sieh an..." Ich ließ meine Freundin los. Ich hatte sie erkannt. "Du." sagte ich nur.

Ich sank auf den Boden. "Auu..", machte ich und legte meine Hände sanft um meinen Hals, als wollte ich überprüfen, ob der auch keine größeren Schäden davongetragen hatte.

Ein leichtes Grinsen huschte über meine Lippen, entblößte meine spitzen Zähne. Ich merkte meine neue Kraft. Ich hätte sie nehmen und zu einem Ball formen können, so groß wie mein Brustkorb. Aber so etwas würde ich ihr nur sehr ungern antun. Ich überlegte, wie ich etwas von dieser überschüssigen Kraft loswerden könnte. Konnte ich ihr etwas abgeben? Wenn ja, dann hoffte ich, dass das Wesen, das sich mit mir vereint hatte, sich teilen wollte.

"Auu.. Auuu.. Auu..", sagte ich übertrieben und stand auf. Meine Hände ließ ich sinken, musterte das Wesen vor mir. "Ähemm..?"

"Was?" fragte ich immer noch grinsend. "Höre auf zu schauspielern, du bist hier nicht unter Menschen, Mandy."