Weit, weit weg

"Ayani?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Mehr oder weniger." nickte ich. "Momentan wohl eher weniger..."

Ich hörte wie hinter mir die Schritte lauter wurden. Unsicher sah ich zu Ayani.

Ich drehte mich zur Tür um. Sie wollten einen Kampf? Schön. Sollten sie einen Kampf haben. Ich spreizte meine Finger und meine Fingernägel verwuchsen zu langen Krallen. "Es tut mir leid, was ich dir angetan habe." flüsterte ich. Die Worte waren an Mandy gerichtet. "Ich hoffe, ich kann es wieder rückgängig machen."

Ich konnte nur erahnen was sie meinte, nickte aber leicht. Zu mehr kam ich nicht, denn schon schwang die Tür auf.

Tobias und sein Vater stürzten herein. "Sieh mal einer an..." lächelte ich. "Die Rechnung ist etwas ungleich..." Ich trat zurück neben Mandy und zog sie kurz an mich. Jetzt gerade übermannte mich der andere Teil meines Selbst, der Teil, den der Meister beigesteuert hatte. Ich küsste Mandy. Richtig. Auf den Mund, mit Zunge. Aber gleichzeitig spürte ich, dass etwas von der Kraft in mir auf sie überging.

Meine Augen weiteten sich überrascht. Schockiert versuchte ich mich aus ihrem Griff zu lösen.

Ich ließ sie los. "Elune... sei nicht so schockiert..." grinste ich. "Es gibt unangenehmere Wege, Macht zu verleihen als durch Küsse..."

"Du bist einfach nicht mein Typ.", sagte ich, nachdem ich in ihr Gesicht sah.

"Das habe ich ja auch nicht verlangt... ich wollte dir nur etwas von meiner Kraft abgeben..." meinte ich leise. "Und das war der einfachste Weg."

Ich blinzelte mehrmals. War ich das oder warum war alles auf einmal so scharf in dem Raum? Ich hatte lange kein gutes Sehvermögen gehabt.

"Monster." zischte Tobias. "Musst du mir meine Schwester wieder wegnehmen? Es hat gereicht, dass die Wilden es getan haben."

Ich sah zu meinem Bruder. Sollte ich irgendwas sagen? Ich entschied mich dagegen, schließlich hätte es eh nichts gebracht.

Ich schüttelte den Kopf. "Du hast deine Schwester selbst fortgejagt." sagte ich milde und tat einen Schritt auf ihn zu.

Ich nahm ihren Arm in meine Hände, hielt sie fest. "Tu ihm nicht weh.", bat ich leise.

"Das habe ich nicht vor." sagte ich leise und berührte Tobias' Nase mit der Fingerspitze. Es flimmerte kurz auf und dann fasste ich hindurch. "Zwei genial gemachte Hologramme." stellte ich fest.

"Hologramme?" Solche Techniken wurden doch schon lange nicht mehr benutzt.

"Oder irgendetwas, damit sie nicht selbst hier rein mussten. Der Meister des Waldes war gefährlich... ich habe es gespürt." sagte ich, als die Gestalten verblassten.

"Was nun?", fragte ich unsicher. Ich war mir sicher, dass Tobias und Dad sich schon etwas einfallen ließen.

"Ich empfehle, dass wir machen, das wir wegkommen... sie werden wahrscheinlich mehr Leute schicken... gegen die wir beide nicht ankommen werden."

"Aber Ayashi", sagte ich und machte Anstalten hoch zu laufen.

"Den können wir ja holen gehen." meinte ich nur und setzte ihr nach.

Ich lief hoch zu meinem Zimmer, in dem Ayashi hoffentlich immer noch schlief.

Ayashi schlief wirklich noch tief. Er hatte nichts, aber gar nichts mitbekommen. Ich blieb im Türrahmen stehen. "Niedlich." flüsterte ich.

Ich ging zu Ayashi hin, beugte mich über ihn und flüsterte in sein Ohr: "Ayashi, aufstehen."