Weit, weit weg

Ich lief ihm hinterher. Mit einfachen Gesten hatte ich Akana jedoch angewiesen hier zu bleiben. Vielleicht kehrte sie ja doch von alleine zurück.

Ayashi hielt kurz vor der Siedlung an und lauschte. Er hörte Klavierspiel. "Was ist das?" flüsterte er. Bei ihm zu Hause kannte man nur Flöten und Trommeln.

Ich erkannte es. Es war mein Klavier. Aber wer spielte damit? Ich tat so als würde ich auf ein Luftklavier spielen, um Ayashi zu zeigen was für ein Instrument es war.

"Ah..." flüsterte Ayashi. Dann huschte er um das Haus herum, um zu sehen, wer damit spielte. Er sah ein Mädchen mit gewellten, roten Haaren, die mit einem weißen Band zusammen gehalten waren, dass ein leichtes weißes Sommerkleid trug und weiße Ballerinas. Es sah hochkonzentriert auf die Noten und schien alles um sich herum vergessen zu haben.

Leise folgte ich ihm. Ich erkannte meine alten Sachen. Sie haben mich ausgetauscht.

"Wer ist das?" fragte Ayashi flüsternd. Plötzlich hörte er hinter sich Schritte. Er fuhr herum. Sie waren umstellt. Lauter Soldaten standen um sie herum und hatten ihre Waffen auf sie gerichtet.

Meine Augen weiteten sich. Ich presste mich an Ayashi, während mein Blick nervös zwischen den Gesichtern der Soldaten huschte.

Ayashi legte schützend die Arme um Elune und fauchte zornig. "Was wollt ihr von uns?" fragte er. Die Soldaten nahmen sie nur in ihre Mitte und sperrten sie ein.

Jedenfalls nicht reden. Aus meinen Fingernägeln wurden Krallen und meine Muskeln waren angespannt.

Bald darauf wurde Elune alleine geholt und zu ihrem Vater gebracht.

Ich war bei Vater, als das fremde Wesen hereingeschleppt wurde. Schwere Ketten hingen an ihren Handgelenken, um ihren Fuß war ein elektronisches Band gelegt, dass bei Bedarf Elektroschocks austeilte. Sie war eine Frau, so alt wie ich. Das konnte ich noch erkennen. In den gelben Augen spiegelten sich Hass, Zorn und zugleich auch Unsicherheit. Das braune Haar hing ihr wirr in die Stirn und die Katzenohren sowie auch der Schweif bewegten sich nervös in alle Richtungen.

Die Ketten scheuerten schmerzhaft an meinen Handgelenken, als ich hinein gezerrt wurde. Mein Knurren war beständig zu hören, da meine Stimme immer noch nicht zurückgekehrt war. Ich wusste wie ich auf die Menschen wirkte; wie ein wildes Tier.

Ich starrte die fremde Frau an. Sie wirkte so wild und ungezähmt... sie machte mir Angst. Tobias, mein Bruder, er stellte sich schützend vor mich, obwohl wir beide wussten, dass dieses Mädchen, wenn es frei wurde, uns beide leicht töten konnte. Vater gab ihr eine Spritze. Ich wusste, was darin war. Ein Beruhigungsmittel, versetzt mit Hormonen. Mein Bruder hatte erklärt, dass diese Katze einst seine Schwester gewesen war. Ein Mensch. Ein Mensch, den sie zurückhaben wollten. Nun versuchten sie es mit menschlichen Hormonen. Eine sanfte Weise, wie sie sagten. Wenn es nicht funktionierte, würden sie ihre Genstruktur so ändern, dass sie wieder ein Mensch wäre.

Ich war entsetzt, wie sie mir das antun konnten. Mit aller Macht, die ich aufbringen konnte, wehrte ich mich gegen diese unwürdige Behandlung.
Ich spürte wie meine Stimme langsam zurückkehrte, sah jedoch diese Farben nicht mehr. Passender Moment, dachte ich bitter und schrie: "Lasst mich los!"

Vater schüttelte den Kopf. "Niemals." sagte er leise. Ich drückte mich ängstlich in eine Ecke. Sie sah so wild aus... Jetzt wurde ihr Begleiter hereingeschleift. Eine Pistole wurde an seine Schläfe gehalten. "Wenn du dich weigerst, stirbt er." erklärte Vater.

Ayashi.. "Halt ihn da heraus!", rief ich meinem 'Vater' zu. Meine Hände waren zu Fäusten geballt.

"Dann gehorche." sagte Vater sanft und seine Stimme war freundlich und warm. Das Mädchen bekam eine weitere Spritze gesetzt. Diesmal nur mit Hormonen. Das Beruhigungsmittel schlug langsam an. Der fremde Junge sah nur mich an. Warum nur? Ich starrte zurück.

Ich vermied es jemanden anzusehen. Mein Blick war auf den Boden geheftet. "Warum?", wisperte ich leise. Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Er hatte doch eine andere Tochter gefunden.

"Weil wir dich hier haben wollen... schließlich sind wir doch eine Familie." antwortete Tobias lächelnd. Er meinte es ernst. Das spürte ich. Er mochte seine Schwester trotz allem. Und er wollte, dass sie zu Hause blieb.

"Behandelt man seine Familie so?", fauchte ich und hob meinen Kopf. Ich hätte größte Lust Tobias eine reinzuwürgen.

"Wir mussten dich so behandeln. Sei ehrlich, wärest du zurückgekehrt, wenn wir dich darum gebeten hätten?" fragte Vater mit leichter Trauer in der Stimme.

"Nein." Jeder wusste es, aber es sollte doch einmal laut ausgesprochen werden. Ich zuckte zurück, als mir die Fesseln abgenommen wurden. Die elektrische Fessel aber blieb.

Vater nickte leicht. "Wir wussten es." sagte er. "Deshalb haben wir dich so behandelt, wie wir dich behandelt haben." Das Mädchen taumelte leicht. Sie schien erschöpft zu sein. Vom Beruhigungsmittel. Schließlich sank sie sanft zu Boden. Vater hob sie auf und trug sie in ihr Zimmer. Ich würde ein anderes bekommen. Was nicht schlimm war. "Hoffentlich schlagen die Hormone an..." murmelte Tobias. Der fremde Junge sah ihr verzweifelt hinterher. "Was macht ihr mit ihm?" fragte ich.

Ich spürte wie mich jemand auf die Arme nahm. "Lass Ayashi frei.." Nachdem ich die Worte aussprach wurde alles schwarz.

Tobias half dem Jungen auf die Beine. "Wir werden sehen..." antwortete er mir. Dann gab er ihm ein Betäubungsmittel und brachte auch ihn fort.

Ich wachte in einem warmen Bett auf. Meinem warmen Bett. Als ich mich erinnerte wie ich hier her kam, fasste ich mir instinktiv an den Kopf. Meine Ohren, sie waren noch da. Es hatte nicht gewirkt. Ich war gleichzeitig erleichtert, aber zitterte bei der Vorstellung welche Methoden sie anwenden würden.